Von dem hauptsächlich im Deutschen Raum verbreiteten Seenot-Rettungskreuzer der DGzRS (Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger) sind von der Firma Grauper mehrere dieser Schiffe als Fertig-Bausätze erschienen. Das wohl bekannteste ist der Seenotrettungskreuzer der 27m Klasse "Adolph Bermpohl" mit dem Beiboot "Vegesack". Dieser Rettungskreuzer hat vor allem deswegen Geschichte gemacht, weil das Original bei einem Eisatz ohne Besatzung und schwer beschädigt auf dem Meer treibend wiedergefunden wurde. Hier ein Auszug aus der Zeitschrift "Vom Ruderboot zum Rettungskreuzer" in welcher das Unglück und der Funkverkehr wiedergegeben wurden.

Das Unglück der Adolph Bermpohl

Sie gaben ihr Leben für andere

Kein Rettungsmann, der hinausfährt, um unbekannte Schiffbrüchige aus Seenot zu retten, weiss, was ihm die nächsten Stunden an unvorhersehbaren Gefahren und Bedrohungen bringen werden.

Ein Schweizer hat die Seenotretter einmal "die nobelste Gilde aller Seeleute" genannt, und er hat damit den Nagel auf den Kopf getroffen.

Vor allem in der Zeit der Ruderrettungsboote waren die Männer allen Unbilden der Witterung schutzlos preisgegeben - Sturm, Regen, Hagel und Kälte. Der See und den mit Ebbe und Flut wechselnden Gezeitenströmungen konnten sie nichts entgegensetzen als die Kraft ihrer Muskeln. War der Wind günstig, so konnten sie auch segeln, aber immer wieder kam es vor, dass ihnen der einsetzende Ebbstrom den Heimweg abschnitt, so dass sie Stunden ausharren mussten, bis die Flut kam. Die Chronik der Rettungsgesellschaft kennt Berichte, bei denen Männer im Boot an Erschöpfung starben, und andere, bei denen Rettungsboote mit ihrer gesamten Besatzung auf See blieben und niemals zurückkehrten. Natürlich sind die mit allen technischen Verbesserungen ausgerüsteten Seenotkreuzer nicht nur erfolgreicher, sondern auch sicherer als die Ruderrettungsboote. Dass aber auch sie der unvorstellbaren Gewalt der See unterliegen können, zeigt das Unglück, dem am 23. Februar 1967 die gesamte vierköpfige Besatzung des Helgoländer Seenotkreuzers ADOLPH BERMPOHL zum Opfer fiel - und mit ihr drei holländische Fischer, die kurz vorher gerettet worden waren.

An diesem Tag entwickelte sich ein schwerer Nordweststurm zum vollen Orkan. In der Nordsee gingen mehrere Schiffe unter, und 80 Seeleute fanden den Tod. Auch im Binnenland verursachte er schwerste Verwüstungen. Sieben Seenotrettungsboote waren zum Teil erfolgreich im Einsatz, und noch in den Nachmittagsstunden gelang dem SAR-Hubschrauber von Borkum eine hervorragende Abbergung. Bald danach wurden auf den Nordsee-Inseln Windgeschwindigkeiten bis 148 km/h gemessen und namentlich in den Strommündungen herrschte ein Seegang, wie er seit langem nicht mehr beobachtet worden war.

Um 14.40 Uhr meldete die Seenotwache Cuxhaven, dass der Fischkutter J. C. WRIEDEN mit schweren Schäden 45 Seemeilen westnordwestlich von Helgoland dringend Hilfe benötige. Der einsatzbereit im Hafen von Helgoland liegende Seenotkreuzer ADOLPH BERMPOHL trat sofort mit dem Havaristen in Funkverbindung und lief aus. Zu dieser Zeit herrschte bereits Westwind in Stärke 11 mit schweren Orkanböen, und es lief eine westliche Sturmsee mit Wellenhöhen von ca. sieben Metern. Die Rettungsmänner hatten auf ihrer Einsatzfahrt also Sturm und See genau gegenan und waren seit eineinhalb Stunden unterwegs, als um 16.14 Uhr Norddeich Radio den "Mayday"-Ruf (Notruf im Funksprechverkehr) des holländischen Fischkutters BURGEMEESTER VAN KAMPEN meldete, der 8 Seemeilen nördlich von Helgoland mit Wassereinbruch im Schiff dringend Hilfe anforderte. Auf ADOLPH BERMPOHL hatte man diese Meldung zumindest teilweise mitgehört und liess sie sich von Norddeich Radio wiederholen. Dabei erfuhren die Männer auf dem Rettungskreuzer, dass andere Schiffe, die gleichfalls Kurs auf den deutschen Fischkutter J. C. WRIEDEN genommen hatten, sich bereits in dessen Nähe befänden, und dass dieser Havarist sich nach eigenen Angaben noch selbst helfen könne. Darum nahm ADOLPH BERMPOHL gegen 16.20 Uhr Kurs auf den holländischen Fischkutter BURGEMEESTER VAN KAMPEN, dessen Lage offenbar schwieriger und dessen Hilfsbedürftigkeit dringender war.

Norddeich Radio vermittelte in der Folge laufend zwischen dem holländischen Kutter und dem ihm zu Hilfe eilenden Rettungskreuzer, der um 1713 Uhr den Unfallort erreichte. Der Havarist stand jetzt 5 Seemeilen nordnordöstlich von Helgoland, und zwischen ihm und ADOLPH BERMPOHL wurde zunächst vereinbart, dass der Rettungskreuzer das holländische Schiff nach Helgoland begleiten und ihm vorauslaufen solle. Als aber ADOLPH BERMPOHL bereits den entsprechenden Kurs steuerte, erkannten die Holländer, dass sie ihren havarierten Kutter in der schweren See nicht drehen und dass sie dem Seenotkreuzer nicht folgen konnten. Sie meldeten das über Norddeich Radio, und diese Erkenntnis muss auf die bei vier Grad Wassertemperatur seit Stunden unterkühlten, durchnässten und erschöpften Fischer deprimierend gewirkt haben. ADOLPH BERMPOHL lief nun zu dem Havaristen zurück. Da es aber nicht möglich war, ihn in Schlepp zu nehmen, entschloss man sich, die dreiköpfige Besatzung abzubergen. ADOLPH BERMPOHL gab dann durch, dass man versuchen werde, an den Havaristen achtern heranzukommen und eine Leine hinüber zugeben, um damit die Männer zu übernehmen. Offenbar konnten oder wollten die Schiffbrüchigen jedoch auf diese Weise nicht von Bord geholt werden, denn die Rettungsmänner auf ADOLPH BERMPOHL besprachen sich miteinander, ehe sie sich zur letzten Möglichkeit der Rettung entschlossen und mitteilten, dass sie das Tochterboot aussetzen würden, um die Besatzung des holländischen Schiffes von Bord zu holen. Dabei forderten sie die Holländer auf, Schwimmwesten anzulegen und vorsichtig zu sein.

Der Funkverkehr, der zwischen dem Seenotkreuzer, der Küstenfunkstelle Norddeich Radio und dem holländischen Fischkutter geführt wurde, während beide Schiffe im fliegenden Gischt der aufgewühlten See und kurz vor Einbruch der Dunkelheit manövrierten, wurde auf Tonband aufgezeichnet und hat, vom Zeitpunkt des Eintreffens des Rettungskreuzers beim Havaristen an, folgenden Wortlaut:

(17.13 Uhr)

Bermpohl:

Ja, Norddeich, wir sind jetzt bei dem Kutter, ich habe ihn gerufen, aber er antwortet nicht - nun wissen wir nicht, ob die Leute von Bord wollen oder ob wir versuchen sollen, ihn zu schleppen - nicht? Weiss nicht, ob wir zu dicht dran sind, dass er uns deshalb nicht hört - oder wir ihn nicht hören. - Können Sie mal mit ihm sprechen? Vielleicht hört er Sie besser.

Norddeich:

Er hat Sie bereits gesehen, er sagte mir zum Schluss, er hat Sie bereits gesehen - Sie sind ganz nahe - aber ich werde ihn mal fragen - Hallo - BÜRGERMEISTER VAN KAMPEN - hören Sie mich?

Kampen:

Wir verstehen Sie.

Norddeich:

Bitte wiederholen Sie.

Kampen:

Wir verstehen Sie.

Norddeich:

Ja, das ist das Rettungsboot das ist das lifeboat - wollen Sie von Bord oder soll das Boot schleppen - schleppen - towed or would you leave the ship?

Kampen:

Das weiß ich niet, das weiß ich noch niet - wir können auch ... (Störungen)... niet mehr ver ... (Störung) ... aber... (Störung) ... nach Helgoland.

Norddeich:

Bitte wiederholen Sie, wollen Sie von Bord geholt werden oder wollen Sie nach Helgoland geschleppt werden do you want to tow to Helgoland?

Kampen:

BERMPOHL schleppen ... wir haben ... voll Wasser und der muß raus ...

Norddeich:

Bitte wiederholen Sie.

Kampen:

... (unverständlich).. .

Norddeich:

Ja, BERMPOHL, also ich kann den guten Mann nicht verstehen - haben Sie was verstanden?

Bermpohl:

Nein, Norddeich Radio, ich hab'da nichts verstanden.

Kampen:

Dat ist möglich, dat de Rettungsboot BERMPOHL - dat he vorausdampft habt U das verstanden?

Norddeich:

Verstanden -Achtung BERMPOHL - ich glaube, er will, daß Sie vorausdampfen - er will hinterherkommen.

Bermpohl:

Ja, das haben wir gut verstanden, hinterherdampfen ... (Störung) ... ja, wir sollen ihn nach Helgoland reinbringen. Ja, das ist in Ordnung - wie ist das mit dem anderen Kutter, mit J. C. WRIEDEN, ist da was unterwegs?

Norddeich:

BÜRGERMEISTER VAN KAMPEN-einen Moment bitte -ja BERMPOHL - da haben eben beide gesprochen - der Kutter und Sie - aber ich habe ungefähr beide verstanden - also Sie würden ihm jetzt vorausdampfen - ich sage ihm Bescheid, daß er Ihnen folgen soll - ja? Wenn Schwierigkeiten sind, dann höre ich ja hier mit - BÜRGERMEISTER VAN KAMPEN ADOLPH BERMPOHL hat verstanden - er dampft Ihnen voraus - er fährt vor Ihnen nach Helgoland - BERMPOHL - nochmal Frage ob verstanden?

Kampen:

Ich dampfe hinterher ... (Störung) ...

ich dampfe genau - haben Sie gut verstanden.

Norddeich:

Jawohl, gut verstanden. BERMPOHL, er hat gut verstanden - er dampft hinterher.

Bermpohl:

Ja, in Ordnung ... ja, und wenn was ist, dann rufen Sie uns - falls die von Bord wollen, ja?

Norddeich:

Ja, ich verstehe - hier läuft gerade noch ein anderer Fall an - ja, also, wenn was ist, ich höre ja mit - schönen Dank - also dann viel Erfolg.

Kampen:

Hallo, Norddeich, hören Sie mich?

Norddeich:

Ich höre - bitte!

Kampen:

... umdrehen können wir nicht dat lifeboat...

Norddeich:

ADOLPH BERMPOHL - bitte mal kommen.

Kampen:

... (Störung) ... die Lotsenboot - . . . umdrehen können wir nicht . . . Wind ...

Norddeich:

Ich habe verstanden - Sie können nicht drehen - einen Moment - ich werde BERMPOHL rufen.

  BERMPOHL von Norddeich Radio BERMPOHL von Norddeich - BERMPOHL von Norddeich bitte melden - BERMPOHL bitte melden - BERMPOHL bitte melden.

Bermpohl:

Norddeich - hier BERMPOHL - bitte kommen.

Norddeich:

Er sagt mir eben, er kann nicht wenden, er kann nicht drehen - es geht nicht.

Bermpohl:

Jawohl, so was ähnliches hab' ich mir wohl gedacht, er ist nicht hinter uns hergekommen - wir fahren jetzt wieder ran an den Kutter.

Norddeich:

Was schlagen Sie denn vor?

Bermpohl:

Ja - wir können ihn ja auch nicht in Schlepp nehmen, wenn er nicht drehen kann - er kann nicht drehen - ja dann können wir ihn auch nicht in Schlepp nehmen.

Norddeich:

Ja - verstanden, dann gibt's also nur: die Leute runterzunehmen. Dann ist also die einzige Möglichkeit, die Leute da runterzuholen.

Bermpohl:

Das letzte hab' ich nicht verstanden - nochmal.

Norddeich:

Die einzige Möglichkeit ist dann, die Leute herunterzuholen, wenn sie wollen - ja.

Bermpohl:

Ja - wenn sie wollen, dann nehmen wir sie mit - und wenn sie nicht wollen? Dann sollen wir nicht (oder dicht) bei liegen bleiben? - Erst mal sehen, wollen erst mal ranfahren.

Norddeich:

Ja, verstanden - ich sage ihm Bescheid - BÜRGERMEISTER VAN KAMPEN: BERMPOHL hat verstanden - er kann Sie aber auch nicht in Schlepp nehmen - er wird erstmal zu Ihnen ranfahren er kommt jetzt auf Sie zu, um die Situation zu klären - over ob verstanden.

Kampen:

... (Störung) ... over.

Norddeich:

Ja, verstanden - BERMPOHL ... ich muß mich erst mal um einen anderen

Fall kümmern - das geht erstmal so, ja?

Bermpohl:

Es geht so - wir sind gleich ran - wir sind auf 200 Meter ran - tschüs dann.

Norddeich:

Ja, tschüs - ja. Wenn's kritisch wird, ruft man ruhig dazwischen - aber nur wenn's kritisch wird.

Bermpohl:

BÜRGERMEISTER VAN KAMPEN - wollen Sie das Schiff verlassen? Do you want to leave ship - or what ... to do? Please come.

Kampen:

Wir wollen das Schiff verlassen.

Bermpohl:

Haben wir verstanden - Sie wollen das Schiff verlassen - ist das richtig so? - over.

Kampen:

Ja - wir wollen das Schiff verlassen - wir wollen das Schiff verlassen over.

Bermpohl:

Ja - ist in Ordnung - wir werden eine Leine rübergeben - wir werden achtern rankommen und - ich melde mich gleich wieder - wir besprechen eben die Lage - wir besprechen eben die Lage und dann melde ich mich wieder - hören Sie?

Kampen:

Ja - das ist gut gehört - Sie melden sich wieder.

Bermpohl:

Ja - wir melden uns gleich wieder.

Bermpohl:

BÜRGERMEISTER VAN KAMPEN - hören Sie mich?

Kampen:

Gut verstanden - over.

Bermpohl:

Ja - wir setzen unser Tochterboot aus - wir setzen unser kleines Boot aus und kommen damit achtern ran nicht? - binden Sie bitte Schwimmwesten um und dann nehmen wir Sie von Bord mit unserem Tochterboot - mit unserem kleinen Boot vom Achterdeck kommen wir an Sie heran - achtern - haben Sie verstanden?

Kampen:

Ja, dat hab ich gut verstanden Sie kommen mit de kleine Boot - holen uns ab -...mit kleene Boot holt Sie uns ab hab ich dat gut verstanden?

(17.38 Uhr)

 

Bermpohl:

Ja - haben Sie richtig verstanden - seien Sie vorsichtig und nehmen Sie Schwimmwesten - binden Sie Schwimmwesten um.

Danach haben die Männer auf ADOLPH BERMPOHL offensichtlich das Rettungsmanöver eingeleitet. Sie meldeten sich erst 40 Minuten später wieder und gaben um 18.19 Uhr, nach gewöhnlichem Anruf Kanal 16, an Helgoland Radio auf Kanal 27 eine Meldung durch, die von Elbe-Weser-Radio notiert wurde und besagt, "daß drei Mann des Fischkutters BURGEMEESTER VAN KAMPEN 5 Seemeilen NNO Helgoland geborgen wurden, die Besatzung sei vollzählig, ADOLPH BERMPOHL laufe getrennt vom Tochterboot langsam vor dem Tochterboot her zurück nach Helgoland. Das Tochterboot könne wegen der groben See nicht aufgenommen werden. Auf die Frage, ob der Seenotfall BURGEMEESTER VAN KAMPEN aufgehoben werden könne, folgte eine Befragung des Kutterkapitäns durch den Schiffsführer des Seenotkreuzers ADOLPH BERMPOHL auf einem Schiff-Schiff-Kanal (die Besatzung des Fischkutters befand sich auf dem Tochterboot). Danach wurde die Frage mit ja' beantwortet unter dem Hinweis, daß der Fischkutter BURGEMEESTER VAN KAMPEN aufgegeben wurde".

Dies war der letzte Funkspruch, der von ADOLPH BERMPOHL gehört wurde, und der Wachhabende der Küstenfunkstelle Elbe-Weser-Radio, der ihn aufschrieb, bestätigte, daß diese Meldung ruhig, routinemäßig und völlig normal abgegeben worden sei. Auch die Tonbandaufnahme zeigt ja, mit welcher beispielhaften Ruhe und Überlegenheit die Männer diese Situation im Hexenkessel der tobenden See unerschütterlich gemeistert haben: Keinen Augenblick verloren sie die Übersicht, und nichts deutete auf das Unheil hin, das sie dann überwältigte. Es war durchaus zu erwarten, daß die gemeinsame Heimreise mit dem Tochterboot, dessen Wiedereinnahme die Rettungsmänner bei diesem Wetter nicht versuchen würden, sich länger hinziehen werde, und es entsprach auch den Gepflogenheiten, daß der Rettungskreuzer sich erst einlaufend Helgoland erneut melden würde.

Gegen 18.45 Uhr beobachtete dann der Leuchtturmwärter Krüss auf Helgoland zwischen zwei schweren Regenböen für ganz kurze Zeit ein kleines Fahrzeug in der Nordeinfahrt nach Helgoland. Das Fahrzeug zeigte das weiße Topplicht und die grüne Seitenlaterne und suchte mit dem Scheinwerfer nach Backbord. Nach Landmarkenpeilung und geschätzter Entfernung muß es in der Nähe und etwas östlich der Fahrwassertonne N/1 gestanden haben, wobei zu bemerken ist, daß die Leuchttonne Sellebrunn seit Tagen verlöscht und ostsüdostwärts vertrieben war und daß auch die westliche Ansteuerungstonne Nathurn der Nordeinfahrt nicht mehr brannte, so daß diese Navigationshilfen nicht zur Verfügung standen. Mit größter Wahrscheinlichkeit kann angenommen werden, daß dies vom Leuchtturmwärter

 

Seenotkreuzer ADOLPH BERMPOHL
ohne Besatzung beschädigt in
der Nordsee treibend aufgefunden
wird eingeschleppt.

beobachtete Fahrzeug der mit seinem Tochterboot VEGESACK einlaufende Seenotkreuzer ADOLPH BERMPOHL gewesen ist, eine Vermutung, die auch durch die Aufzeichnungen des Lotes auf dem Rettungskreuzer unterstrichen wird. Dieser Lotstreifen wurde nach der Bergung des Rettungskreuzers durch das Deutsche Hydrographische Institut analysiert und zeigt abnehmende Wassertiefen bis ca. 16 m an. Es fehlen dann für einen Zeitraum von knapp drei Minuten Lotungsanzeigen - bei rückwärts arbeitenden Schrauben ebenso wie bei starker Krängung liefert das Echolot keine Anzeige -, und danach folgt noch eine einwandfreie Tiefenangabe von 9,3 m. Weiterhin stellte das Deutsche Hydrographische Institut anhand des Lotstreifens eine Wellenhöhe bis zu 10 m fest.

Die Beobachtung der grünen und weißen Laterne und des nach Backbord suchenden Scheinwerfers erfolgte durch den Leuchtturmwärter von Helgoland unter größten Schwierigkeiten: Der Regen prasselte gegen die Scheiben, und nur mit Mühe gelang es einem zweiten Mann, das waagerecht drehende Fenster gegen den Sturm so weit aufzudrücken, daß der Leuchtturmwärter freie Sicht mit dem Fernglas bekam. Er beobachtete dann ein weiteres Fahrzeug, das nördlich von Helgoland auf Westkurs lag und anschließend westlich von Helgoland nach Süden steuerte. Als er danach seine Aufmerksamkeit wieder dem vorher beobachteten kleinen Fahrzeug zuwenden wollte, war davon nichts mehr zu sehen: Er mußte annehmen, daß dieses Schiff nach Norden abgedreht habe und demzufolge nur noch die Hecklampe zeige, die unter-diesen Wetterverhältnissen nicht auszumachen war.

Alle Beobachtungen legen den Schluß nahe, daß sich der Unfall, dem die vier Rettungsmänner und die von ihnen geretteten drei Holländer zum Opfer gefallen sind, hier und zu dieser Zeit ereignet hat. Hier läuft das berüchtigte Sellebrunn-Riff aus, das sich von der östlich Helgoland liegenden Düneninsel etwa vier Meilen nach NNW und 21/2 Meilen über die Nordkante der Helgoländer Felseninsel hinaus erstreckt. Aus tiefem Wasser aufsteigend, türmen sich hier die anlaufenden Seen zu gewaltiger Grundsee auf und werden noch erhöht durch die von der Felseninsel reflektierte See. Gewaltige, fast senkrechte und überkämmende Wasserwände entstehen auf diesem Riff. ADOLPH BERMPOHL muß sich eben westlich davon befunden haben - bei schwerem WNW-Orkan und gleichzeitig östlich setzendem Flutstrom.

Vor dem Seeamt hat der Bundesbeauftragte zum weiteren Verlauf ausgeführt: "Warum wählte der Vormann die Nordeinfahrt? Es bestand die Absprache, sie über Windstärke 8 nicht zu benutzen. Ihm war das vor 10 Tagen erfolgte Verlöschen der Sellebrunn-Tonne bekannt, nicht bekannt war ihm das Vertreiben dieser Tonne nach OSO vor seinem Einlaufen, ebenso das kurz vorherige Verlöschen der Nathurn-Tonne. Der Weg östlich der Düne scheidet bei schwerem Wetter wegen der geringen Wassertiefe und Untiefen aus. Der Weg westlich Helgoland beansprucht mehr Zeit, hätte vor allem das Tochterboot für eine längere Wegstrecke den schweren westlichen Grundseen ausgesetzt. Hauptgrund mag wohl der Zustand der drei holländischen Seeleute gewesen sein und das Bestreben, mit Tide und Wind möglichst schnell den Hafen zu erreichen. Auch mag der Seenotfall RUHR südlich Helgoland ihn zur Eile und kürzestem Weg gezwungen haben." (Wahrscheinlich beabsichtigten die Rettungsmänner, nach dem Absetzen der Schiffbrüchigen auf Helgoland zu diesem Seenotfall weiterzulaufen.) Später aufgefundene Anzeichen - ausgekuppelte Maschinen auf beiden Fahrzeugen, stehengebliebene Uhren, Lotstreifen, Ölverschmutzung Steuerbordseite Bordwand innen bis oberhalb der Maschinen, Beschädigung der Aufbauten, gewisse Merkmale an den Bootskörpern - erweisen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Ablauf der Katastrophe.

Ohne die hier unbrauchbare Decca-Hilfe, bei einer durch fliegenden Gischt, schwerste Regenböen und Seegangshöhe für die niedrige Antenne fast unmöglichen Radarortung ist die ADOLPH BERMPOHL näher als beabsichtigt an die Sellebrunn-Gründe geraten - vielleicht gerade dadurch, daß sie die vertriebene Tonne zu fassen bekam und für die Navigation zugrunde legte. Jedenfalls wurde sie durch den Leuchtturmwärter in der Nähe der Tonne N/l, sogar östlich davon, gesichtet. Die ausgekuppelten Maschinen zeigen, daß hier das Tochterboot längsseits genommen wurde, um wahrscheinlich die erschöpften Holländer zu übernehmen. In dieser Situation muß eine gewaltige Grundsee sich über beiden Booten aufgetürmt haben und auf sie niedergebrochen sein. ADOLPH BERMPOHL wurde 90° auf die Seite und über die VEGESACK geworfen. Die Seeleute wurden, wo sie sich auch in diesem Augenblick befunden haben mögen, außenbords gerissen und unter Wasser gedrückt.

Alle Befunde auf den später geborgenen Booten und ihre Beschädigungen deuten auf einen solchen Ablauf der Katastrophe hin. Ob die Rettungsmänner die Schiff brüchigen übernehmen wollten, weil sie fürchteten, daß die Holländer die Strapazen im Tochterboot nicht mehr überleben würden, ob sie danach das Tochterboot preisgeben und ob sie anschließend die gefährliche Nordeinfahrt oder die längere Westumfahnung der Insel wählen wollten, wird niemals zu klären sein. Der Bundesbeauftragte führte dazu in der Seeamtsverhandlung aus: "Es kann nicht Sache des Seeamtes sein, die Durchführung solcher Rettungsaktionen in materieller wie seemännischer Hinsicht zu beurteilen, werden sie doch mit Mitteln und unter Bedingungen durchgeführt, die außerhalb normaler Beurteilung stehen. Die hierfür verwendeten Boote wurden in jahrzehntelanger Entwicklung und ständiger Verbesserung auf einen Höchststand gebracht, der es ihnen erlaubt, auch außergewöhnlichsten und übernormalen Beanspruchungen gewachsen zu sein. Der nach der Katastrophe vorgefundene Zustand des Seenotkreuzers ADOLPH BERMPOHL und seines Tochterbootes VEGESACK beweist dies. Bei beiden Booten ist der Bootskörper ohne schwere Beschädigungen und Leckagen geblieben. Dies zeigt die Vollkommenheit der Konstruktion und Bauart und die Richtigkeit der dabei beschnittenen Wege. Die vierköpfige Besatzung unter Führung des besonders bewährten Paul Denker bestand aus erfahrenen Seeleuten, die stets freiwillig bereit waren, in See zu gehen, zu helfen und dabei das Äußerste zu wagen, wenn Schiffe und damit Menschenleben in Gefahr waren - selbst dann, wenn es oft nicht mehr zu verantworten war. In jahrelangem, teilweise jahrzehntelangem Einsatz - Denker war seit 30 Jahren in diesem Dienst tätig und hatte mit der ADOLPH BERMPOHL seit Indienststellung vor 11/2 Jahren 164 Menschen aus Not gerettet und 45 Schiffe in den sicheren Hafen gebracht - haben diese Seeleute Erfahrungen und Sicherheit in schwierigsten seemännischen Situationen, auch in Grundsee und Brandung, erworben, die in ihrer Besonderheit selbst ältesten Seeleuten nicht eigen sind. Ich habe keine Zweifel, daß sie auch am 23. Februar in jeder Lage und jederzeit das getan haben, was ihren Erwartungen entsprach und daher richtig war. Hier war die Natur gewaltiger als der Mensch. Wir können nur mit Schmerz und Trauer, aber auch mit Stolz feststellen, daß die vier Seeleute an diesem Tag, wie so oft, ihr Leben einsetzten, es aber verloren, als sie drei holländische Fischer dem Tod entreißen wollten. Möge dieses Beispiel weiterhin tüchtige Seeleute ermutigen, gleich ihnen bereit zu sein, unter freiwilligem Einsatz des Lebens das anderer Seeleute zu retten, die in selbst hoffnungsloser Lage mit dieser Hilfe rechnen."

Der Rettungskreuzer ADOLPH BERMPOHL wurde, zwar von der schweren See beschädigt, in seiner Schwimmfähigkeit aber unbeeinträchtigt, am 24. Februar morgens herrenlos in der Nordsee treibend gefunden. 24 Stunden später konnte auch das Tochterboot geborgen werden. Beide Fahrzeuge sind nach umfangreichen Reparaturarbeiten wieder auf "Station gegangen". Erst 1989, nach 24 Jahren im harten Seenotrettungsdienst, wurde die ADOLPH BERMPOHL ausgemustert und durch die moderne MINDEN ersetzt. An der tagelangen Suchaktion nach den vermißten Rettungsmännern beteiligten sich neben den Rettungsbooten auch zahlreiche Flugzeuge und Schiffe. Sie blieb erfolglos. Monate später erst gab die See drei der Männer zurück, den vierten hat sie behalten.

Ihre Namen: Paul Denker, Hans-Jürgen Kratschke, Otto Schülke und Günter Kuchenbecker.

Ihr Schicksal steht stellvertretend für das der insgesamt 42 Männer, die in den bislang 125 Jahren des Bestehens der DGZRS im Einsatz auf See geblieben sind.